Stoppt der Wachtelkönig den F-Plan?
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- Kategorie: Schleswig-Holstein Spezial
- Erstellt am Dienstag, 28. August 2012 23:14
- Zuletzt aktualisiert am Montag, 22. Juli 2013 12:33
- Veröffentlicht am Dienstag, 28. August 2012 23:14
- Geschrieben von Jutta Reichardt
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NORDFRIESLAND TAGEBLATT
28. August 2012 | 06:25 Uhr | Von mone
Der rotbraune Vogel gehört zu den stark bedrohten Tieren in Deutschland. Foto: dpa
Gemeindevertreter tagen in drei Dörfern zum Thema Windpark / Naturschutzverbände bemängeln Artenschutzbericht
Goldebek. Er ist rund 30 Zentimeter groß, lebt versteckt im dichten Gras und macht sich meistens nachts bemerkbar. Die Rede ist vom Wachtelkönig, einem Vogel, der öfter zu hören, als zu sehen ist. In Deutschland steht der auch Wiesenralle oder Wiesenknarrer genannte Vogel auf der roten Liste der Brutvögel und ist dort als "stark gefährdet" eingestuft.
Die Existenz des Wachtelkönigs hat schon einige große Bauvorhaben gestoppt, wie beispielsweise in Hamburg. Nun ist er in Goldebek gehört worden, ausgerechnet dort, wo Gegner des geplanten Windparks ohnehin schwere Eingriffe in die Natur befürchten.
Günther Thomsen von der Bürgerini tiative Gegenwind Schleswig-Holstein hat den unverkennbaren Laut des Wachtelkönigs gehört und davon Tonbandaufnahmen gemacht. "Er hat zwei Wochen lang gerufen", berichtete Thomsen. Nun vermutet er, dass der Ruf ein Weibchen angelockt haben könnte und das Vogelpaar in der Gegend brütet.
In Goldelund, Joldelund und Goldebek standen jüngst öffentliche Sitzungen der Gemeindevertreter mit identischen Tagesordnungspunkten zum Thema Windplanung an. Es ging jeweils um die Beratung und Beschlussfassung über die zweite Änderung des Flächennutzungsplanung (F-Plan) sowie die Beratung über die eingegangenen Anregungen und Stellungnahmen. In allen drei Dörfern hatte Hans-Jürgen Fröhlich von der Bauabteilung des Amtes Mittleres Nordfriesland das Zepter als Beauftragter der Kommunalaufsicht des Kreises Nordfriesland in der Hand.
Als neutrale Person führte er aufgrund der Befangenheit zahlreicher Gemeindevertreter durch die Sitzungen und kümmerte sich um die Windpark-Belange. Mit dabei waren auch Barbara Bonin und Michael Körkemeyer vom Planungsbüro aus Leck. In Goldelund dauerte die Sitzung drei Stunden, in Joldelund eine Stunde und in Goldebek zwei Stunden.
Die Goldelunder Rainer Kleinlosen und Heinrich Kühl hatten im Vorwege im Namen der Bürgerinitiative Golde lunder Landschafts- und Artenschutz eine Stellungnahme zu der Änderung des F-Plans beim Amt Mittleres Nordfriesland abgegeben. Darin forderten sie eine Reduzierung der geplanten Fläche für Windkraftanlagen.
Unter anderem deshalb, da diese in einem charakteristischen Landschaftsraum (Goldebeker Mühlenstrom) liegt. Weiter heißt es: "Das nördliche Randgebiet der ausgewiesenen Windeignungs flächen stellt eine Biotop-Verbundfläche dar. Diese soll nach dem Kreiskonzept bis auf kleinflächig geringe Ausnahmen als Ausschlussgebiet berücksichtigt werden." Außerdem wird der unvollständige Artenschutzbericht bemängelt. Der Lebensraum von Wiesenweihe, Uhu und Weißstorch wurde nach Meinung der Bürgerinitiative nicht ausreichend untersucht.
Einwände kamen auch von der Arbeitsgemeinschaft anerkannter Naturschutzverbände in Schleswig-Holstein (AG-29). Aus naturschutzfachlichen und landschaftsästhetischen Gründen werde die vorgesehene Fläche von ihnen als ungeeignet angesehen. Während der Goldelunder Sitzung monierte Rainer Kleinlosen, dass das Land die Anweisung "Arrondierung" (Zusammenlegung) der Anlagen unter den Tisch hat fallen lassen: "In Goldelund ist es nun eine Neuausweisungsfläche." Die Diskussionen hielten an. "Ich möchte ein offenes und gläsernes Verfahren, das habe ich ihnen versprochen", so Hans-Jürgen Fröhlich, der aber darum bat, Struktur zu wahren.
Letztendlich beschloss er die zweite Änderung des Flächennutzungsplans in seiner Ursprungsform und beauftragte den Amtsvorsteher, diese dem Innenminister zum Genehmigungsverfahren vorzulegen.
Als ihm Heinrich Kühl anschließend von der Existenz des Wachtelkönigs im Raum Goldebek/Goldelund berichtete und ihm am nächsten Tag der Ruf des Vogels per Tonbandaufnahme in der Amtsverwaltung vorgespielt wurde, nahm das Planungsbüro ein Gespräch mit Dr. Ismo Bruhn von der Arbeitsgemeinschaft für Umweltforschung und Entwicklungsplanung in Kiel auf. Die Antwort kam per Mail. Darin heißt es unter anderem: "Nicht auszuschließen ist, dass es sich bei dem vermeintlichen Wachtelkönig um ein einzelnes rufendes Männchen handelt, das auf Brautschau war." Daraus leite sich noch kein Bruterfolg oder gar nennenswertes Brutgebiet ab. Obwohl der Wachtelkönig sehr bodenbezogen lebe, sei er ein Langstreckenflieger, der zur Brut von Mai bis August bei uns in Norddeutschland vorbeischaue.
Bruhn empfiehlt weiter, im Bereich der geplanten Windfläche Flatterbänder zur Vergrämung einzusetzen sowie im Vorfeld eine biologische Baufeldbegehung auch wegen anderer Bodenbrüter und Wiesenvögel vorzusehen. "Dann ist man artenschutzrechtlich auf der sicheren Seite." Derweil sucht Günther Thomsen weiter in der Hoffnung, den Wachtelkönig zu finden.