Wie Naturschutz den Schutz der Natur verhindert
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- Kategorie: Meinungen
- Erstellt am Mittwoch, 24. August 2016 01:47
- Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, 24. August 2016 01:47
- Veröffentlicht am Mittwoch, 24. August 2016 01:47
- Geschrieben von Jutta Reichardt
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DIE WELT
Meinung
Unseren Umgang mit Wildnis und bedrohten Tierarten kann man nur als wahnsinnig bezeichnen. So wahnsinnig, dass die Tiere massenweise in die sicheren Städte flüchten.
Aufschrei eines Biologen
Vom hochgeschätzten Evolutionsbiologen und Zoologen Joseph Reichholf
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Es zählt im Naturschutz zumeist auch nicht, dass eine Autobahn ungleich weniger Tiere das Leben kostet als eine Bundesstraße gleicher Länge. In vielen Varianten tritt dieser Verhinderungsnaturschutz auf.
Neuerdings weht der Wind aber anders. Gefördert werden muss die Windkraft. Dabei spielt es keine Rolle, dass vom Rotmilan etwa die Hälfte des Weltbestandes dieses Greifvogels in Deutschland beheimatet ist und wir deshalb eine besondere Verantwortung für seinen Schutz haben.
Windräder oder Rotmilan
Das Aufstellen von Windrädern ist wichtiger, auch in den Kerngebieten seiner Brutvorkommen. Verhackstücken diese den Milan, was tatsächlich geschieht, darf niemand, der seine Reste findet, auch nur eine Feder mitnehmen. Denn der Rotmilan ist eine "geschützte Art".
Der Naturschutz verlangt sogar die Einholung einer Ausnahmegenehmigung, wenn die Feder nicht vom seltenen Milan, sondern von der überaus häufigen Amsel stammt. Sie mausert ihr Gefieder wie alle Vögel. Die alten Federn bleiben dennoch unter Schutz! Geschützt sind auch die Amselnester und die Nester aller Singvögel, ob mit Eiern, Jungen oder leer.
Die Stadt- und Forstverwaltungen hindert das jedoch nicht daran, mitten in der Brutzeit entlang von Straßen und Wegen Buschwerk maschinell zu mähen. Das zerstört die letzten Streifen, auf denen noch Wildblumen blühen – und viele Vogelnester.
Zurück bleiben auch die zerfetzten Körper der geschützten Blindschleichen, Schlingnattern und Eidechsen. Doch die Pflegemaßnahme ist rechtens, wie die ganze Landwirtschaft, ob hochgradig industrialisiert betrieben oder "Bio/Öko".
[...]
Das Verhältnis zur Natur ist absurd geworden. Kinder und Jugendliche dürfen sich praktisch nur noch in der virtuellen Natur frei bewegen. Die echte draußen bleibt ihnen über eine Vielzahl von Ge- und Verboten versperrt. Rücksichtslose, unkontrollierte Ausbeutung ist rechtens. Mit Natur vertraut zu werden, bedarf dagegen der Ausnahmegenehmigung.
Kinder im Wald stören, die Holzerntemaschinen tun es nicht. Und überschlimm sind die "fremden Arten", auch ohne jeglichen Nachweis. Wo der asiatische Laubholzbock eingeschleppt wurde, werden die von Privatleuten sorgsam gepflegten Bäume behördlich-gewaltsam umgeschnitten. Für Borkenkäferbefall im Forst gilt das nicht, obgleich diese Käfer für die befallenen Bäume genauso tödlich sind.
Im Staatsforst sollten möglichst keine Rehe, Hirsche und Wildschweine leben, weil der Wald vom Wild geschädigt wird. Was wir, die Bevölkerung, vom Staatsforst, unserem Wald, haben möchten, wird nicht nachgefragt. Auch nicht, wie Wildunfälle zustande kommen.
Und dann auch noch der Klimaschutz
Wo Wildschweine und Rehe in Wald und Flur extrem scheu und unstet gemacht werden, verursachen sie nachts die gefährlichen Straßenverkehrsunfälle. Wild muss scheu sein, meinen die Jäger, sonst wäre es, wie die Tiere in der Stadt, kein Wild mehr. Dass es den Tieren dort vielfach besser geht als in der "freien Natur", steht unter Denkverbot.
Unsere Tier- und Naturliebe ist aber so groß, dass wir sogar das Klima für sie (mit-)schützen wollen, weil der Klimaerwärmung irgendwann viele Tier- und Pflanzenarten zum Opfer fallen werden, wie es heißt.
Dass der Artenreichtum von den kalten Gebieten tropenwärts, also zur Wärme hin, stark zunimmt, hat sich bei den Klimamodellierern und den besonders Besorgten offenbar nicht herumgesprochen. Verantwortlich für den Artenschwund ist nicht das Klima, sondern die Landnutzung.
Mit der Energiewende kam eine neue Größenordnung hinzu. Darüber wird nicht gesprochen, weil die großen Naturschutzverbände vehement den Umstieg auf die Erneuerbaren wollten. Koste es an Natur, was es wolle. Nicht das Überleben der Lebensvielfalt hat Vorrang, sondern das Klima in 100 Jahren.
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Ein neuer Naturschutz wird dringend gebraucht. Einer, der den Menschen den Wert der Natur wieder nahebringt und sie nicht ohne zwingende Gründe aussperrt. Der alte Naturschutz entfremdete von der Natur. Die Erneuerung muss von den Menschen im Osten und in den Städten ausgehen. Sie sind die große Mehrheit.
Sie entscheiden darüber, wie es weitergeht mit der Natur in unserem Land. Sie können die privilegierten Naturnutzer politisch in die Pflicht nehmen und ihnen nötigenfalls all die Subventionen entziehen, mit denen sie Natur vernichten. Der Naturschutz muss wieder zurück zur Natur!
Alles lesen:
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article142999294/Wie-Naturschutz-den-Schutz-der-Natur-verhindert.html